Dienstag, 24. Mai 2016

Im Bann des Steins - Teil 2: "Die Visionen vom Wein im Stein"


Markus Waldschütz und seine Steinvision - Grüner Veltliner 2014



Die erste Vision - Perfektion in der Argumentation

Mit etwas Geduld und guten Argumenten konnte Vater Reinhard ebenfalls von der Sinnhaftigkeit eines Natursteinfasses überzeugt werden. Auch seine Bedenken, es könnte 2014 eventuell zu wenig gesundes, hochwertiges Traubenmaterial gelesen werden, um eine entsprechende Menge "Granitfasswein" zu vinifizieren, gerieten rasch in Vergessenheit. In einem Edelstahltank schlummerte bereits feinster Grüner Veltliner.



Die zweite Vision - Perfektion im Stahltank

Das zu hundert Prozent gesunde Traubenmaterial wurde Mitte Oktober mit knapp 21° KMW geerntet. Es stammt von tiefgründigen Lössböden, vorwiegend aus der Toplage Rosengarten. Um die Sortentypizität und den Charakter des Weins nicht zu beeinflussen wurde spontan vergoren.


Die dritte Vision - Erstaunliches schaffen mit Hilfe des Steins

Frei nach dem Motto "pimp my wine" konnten es die beiden kaum erwarten, das Steinfass endlich befüllen zu können. Im April 2015 war es dann so weit, das Fass wurde geliefert und an seinem Bestimmungsort aufgestellt. Keine Routinearbeit, es handelte sich schließlich nicht um ein leichtgewichtiges Barrique Fässchen, sondern um das steinerne Monster, dessen zwei Tonnen Gesamtgewicht für mehrere Adrenalin Kicks und einige herzhafte Flüche sorgte. Aber es wären nicht Reinhard und Markus, würden sie solche Aktionen nicht souverän meistern.

Da stand sie also, die tausend Liter fassende Weinherberge aus Granit, die darauf wartete, endlich den bereits vergorenen Inhalt des Stahltanks samt Feinhefe aufnehmen zu dürfen. Elf Monate waren dem Wein im Stein für seine Entwicklung gegönnt, bevor er im Februar 2016 auf Flaschen gefüllt wurde. Weil Markus ein wahrhaft schlauer Bursche ist, füllte er eine kleine Extramenge als Vergleichswein direkt vom Tank in Flaschen (ausschließlich als Vergleich Stahl/Stein für Verkostungen).

Bereits während der ersten drei Monate im Steinfass waren positive Veränderungen spürbar. Der Wein im Stein war komplexer, vielschichtiger und mineralischer, als jener aus dem Stahltank. Reinhard ist ein sehr kritischer Verkoster, daher musste er bei allen Verkostungen immer einen extra großen Zusatzkostschluck nehmen, um restlos von der Steinvision 2014 überzeugt zu sein. Das könnte wohl auch der Grund dafür sein, dass statt 1.400 Flaschen nur 1.300 gefüllt werden konnten.




  • Grüner Veltliner Steinvision 2014
Das Werk ist vollbracht, aus dem Wein im Stein wurde der Wein aus dem Stein, der als Steinvision 2014 eine neue Heimat in exklusiven Flaschen mit edlem Etikett fand.


Die Ohren kosten ebenfalls mit

Der erste Wein, der sogar meine audiovisuelle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Sofort nach dem Öffnen der Flasche und anschließender Begutachtung des Etiketts hat man, etwas Phantasie vorausgesetzt, die schweißtreibenden Steinmetzarbeiten vor Augen und kann auch das Bersten der Gesteinsbrocken vernehmen. Im Hintergrund ist das dezente  Gurgeln eines Karstgerinnes wahrnehmbar. Das alles leitet unmittelbar die eigentliche Verkostung ein.


Ein vielversprechender Anblick

Helles Strohgelb mit leuchtenden goldfarbenen Reflexen laden zur genaueren visuellen Begutachtung ein. Es klingt etwas übertrieben, aber in den gemächlich abfließenden Schlieren am Glasrand lässt sich ein zarter Hauch von Mineralik erkennen.


Könnte sie würde sie applaudieren, die Nase

Pfeffrig, kräutrige Aromen, kompakt verwoben mit Noten von Feuerstein und Steinmehl vom Granit. Würzig frische Aromen und ein Hauch von Steinobst gesellen sich sofort dazu.


Faszination am Gaumen

Mit knapp 14%vol. Alkohol ist dieser Bursche eher kein Leichtgewicht. Trotzdem tanzt er vorerst ziemlich ausgelassen am Gaumen herum. Frisch und angenehm opulent breiten sich würzige Fruchtaromen am Gaumen aus, getragen von einem perfekt passenden Säuregerüst. Spürbare Mineralik verleiht diesem Gaumentanz sehr viel Elegance.


Abgang mit Sexappeal

Der Abgang gestaltet sich komplex und feingliedrig, zeigt einige äußerst charmante Ecken und Kanten, die sich finessenreich in den langen Abgang einbinden. Dieser Abgang strotzt vor Kraft, ist aber Dank der ausgeprägten Mineralik niemals unangenehm breit oder gar plump. Im Gegenteil, Elegance und Charme prägen den Gesamteindruck. Der Nachklang dauert eine halbe Ewigkeit.

Der Gesamteindruck von der Erstbegegnung mit der verschlossenen Flasche bis zum finalen Nachklang kann mit zwei Worten treffend beschrieben werden, "saugeil, unvergesslich"!


Heute, morgen und noch viel länger

Man muss sich wirklich beherrschen, um nicht den gesamten Vorrat  innerhalb kürzester Zeit auszutrinken, denn trinkreif ist sie, die Steinvision 2014. Allerdings sollte das merkliche Potential nicht unbeachtet bleiben, da ist noch mindestens für weitere sieben bis zehn Jahre Entwicklungspotential vorhanden.




Fazit: Egal welche seiner Visionen, Markus Waldschütz hat sie alle perfekt in Szene gesetzt und mit der Steinvision 2014 einen erstklassigen Grünen Veltliner geschaffen, der keines großartigen Fachwissens bedarf, um ihn zu verstehen und genießen zu können. Er beweist damit aber auch, dass es weder Orange noch Natural sein muss, um nicht Alltägliches zu vinifizieren!



Verkostungsnotiz , Mai 2016