Unverfälscht, unkompliziert, köstlich
Diese drei Eigenschaften passen perfekt als Kurzbeschreibung für Frank Maruccia’s Weine. Zugegeben, doch etwas dürftig, daher ein wenig ausführlicher.
Man könnte zwar stundenlang über die feinen Unterschiede diskutieren, was denn diese Weine so eigenständig und besonders macht, aber keine Sorge, ich werde mich so kurz wie möglich fassen.
Ein paar Worte zum Callet, einer autochthonen mallorquinischen Paradesorte
Callet bedeutet soviel wie schwarz. Der Callet entstammt einer Kreuzung aus Fogoneu und Callet Cas Concos, ebenfalls zwei autochthone Rebsorten Mallorcas.
Callet zählt zu den widerstandsfähigen Rebsorten, verträgt sich sehr gut mit den vorherrschenden klimatischen Bedingungen, steckt auch Trockenheit sehr gut weg und ist in Bezug auf die meisten Rebkrankheiten eher unanfällig.
Reinsortig findet man Callet nicht so oft vor, wie beispielsweise mit Manto Negra und Gogoneu verschnitten, was schöne, dichte Weine ergibt. Moderne Callet-Cuvees werden mit Cabernet Sauvignon und Syrah, oder mit Tempranillo verschnitten. Mit Hilfe entsprechender Kellereitechnik entstehen Weine mit internationaler Stilistik, wodurch der typische Charakter des Callet allerdings ein wenig leidet.
Seinem Charakter entsprechend ausgebaut, zeigt er eine eher zartblasse Färbung, wartet mit geringerem Alkoholgehalt auf und verführt mit dezent subtilen Aromen. Wenn man so will, ein leichter, verführerischer Rotwein mit hohem Genusspotential. Allerdings findet man diese unverfälschte Art des reinsortigen Callets selten, was wirklich schade ist. Aber zum Glück gibt es Enthusiasten wie Frank Maruccia, die sehr viel Wert auf Sortencharakter und Terroir legen!
Callet de la Familia 2014
100% Callet, Ausbau im 1.200 Liter Rundfass aus französischer Eiche, unfiltriert, nicht geschönt, keine Bewässerung.
Callet Rebstöcke spielen ihre ganze Stärke erst im Alter aus (20 Jahre und älter). Daher bearbeitet Frank zurzeit noch den Callet Weingarten eines Freundes, wo die Rebstöcke bereits das entsprechende Alter haben.
Farbe und Geruch
Was da die Flasche verlässt und sich im Kostglas ausbreitet macht uns alle sehr neugierig. Leuchtendes, ziemlich helles Granatrot, lässt einen eher rustikalen Wein vermuten. Dagegen sprechen allerdings die Schlieren, die ziemlich gemächlich vom Glasrand abfließen. Beim Schwenken des Glases wird eine unglaubliche Aromenvielfalt freigesetzt, welche die These mit rustikal und einfach sofort widerlegt.
Bekannte Aromen vermischen sich mit nicht alltäglichen Schmeicheleien für die Nase. Frisch, fruchtig, beschwingt und, vielschichtig und tiefgründig. Angenehm überrascht und ziemlich beeindruckt wird dieses stimmige Geruchsspektakel gedanklich in seine Bestandteile zerlegt.
Eindeutig sind da die Aromen von roten Beeren im Spiel, ein bisserl was von Hauszwetschken, Gartenkräuter und ein Minihauch von Teeblättern. Dann ist da noch was, so in der Art wie rauchiges Karamell, Kakao und etwas Schokolade. Plötzlich die Wortmeldung eines Aficionados (meine Wenigkeit) - Kuba, Humidor, Partagas, Upmann, Hoyo! Äh, was bitte? Ich öffne meinen Humidor und da ist es, das rauchige Karamell. Es ist der Duft nicht angezündeter kubanischer(!) Zigarren im Zedernholz Humidor. Das Ganze, wie von Zauberhand verrührt, ergibt schlicht und einfach einen salonfähigen Nasenorgasmus.
Geschmack, Abgang und Nachklang
Was sagt jetzt der Gaumen? Juchuuuu, das schmeckt doch tatsächlich so, wie’s riecht und dann sind da noch zarte Tannine und ein sehr moderates Säurespiel. Ein ausgewogenes, pfiffiges Gaumenspiel mit Elegance und Lebensfreude. Den Wein am Gaumen hin und her tänzeln zu lassen macht richtig Spaß. Es ist alles da, was man sich von einem guten Wein wünscht, aber eben ohne Tannin-, Alkohol-, Säure- oder Holzdominanz.
Im mittellangen Abgang zeigt sich eine kompakte Struktur mit subtiler Finesse. Da ist nichts überladen und auch nicht filigran. Da ist wieder alles stimmig. Einige dezente Ecken und Kanten lassen diese Stimmigkeit niemals in Langeweile übergehen. Unweigerlich muss ich an meine Tochter denken. Eine eigenständige Persönlichkeit mit Charakter. Ein bisserl frech, sehr viel Charme und erstaunlich elegant.
Der Nachklang bewirkt wohlwollendes Kopfnicken, gefolgt vom Verlangen nach dem nächsten Schluck.
Potential und Zukunft
Obwohl der Callet de la Familia 2014 bereits mit Trinkreife erfreut, sollte man sein Potential ebenfalls beachten. Es spricht absolut nichts gegen eine mittelfristige Lagerung. Gereifte Callets dieser Art überzeugen nicht nur mit ihrem einzigartigen Charakter, sie gewinnen auch noch an Elegance.
Amada Tessa 2013
61% Cabernet Sauvignon, 15% Cabernet Franc, 24% Merlot; 24 Monate im Eichenfass, unfiltriert, nicht geschönt, keine Bewässerung.
Farbe und Geruch
Kräftiges Bordeauxrot mit rubinrotem Schimmer und sehr gemächlich abfließende Schlieren am Glasrand lassen einen extraktreichen Wein vermuten.
Diese Vermutung wird von der Nase sofort bestätigt. Kräftiges Cassis, tiefdunkle Brombeeren (so wie sie früher an den Ufern der Donau zu finden waren), ein paar Jostabeeren und ein Hauch Johanniskraut, in einer Schale leicht angedrückt bis die Beeren etwas Saft abgeben. Genau dieser Aromamix strömt aus dem Glas. Ein paar Mal geschwenkt und die Beerenaromen vermischen sich zu einer kompakten Einheit mit einem Hauch von Bourbon Vanille und einem Touch von frisch geriebenem Paprikapulver. Ganz im Hintergrund und äußerst dezent sind auch noch Teeblattaromen wahrnehmbar. Was für eine Geruchsorgie! Ein Hammer, aber nicht aufdringlich, sondern gediegen.
Geschmack, Abgang und Nachklang
Was kommt da jetzt auf den Gaumen zu? Kraft, Kraft und nochmals Kraft. Viel Kraft, sehr viel Kraft, aber nicht protzig oder derb, sondern viel mehr graziös-Kräftig. Ein schlanker Körper mit viel Extrakt und zarten Tanninen vereinnahmt den Gaumen. Zu schön um wahr zu sein, also den Wein nochmals am Gaumen tanzen lassen. Es ist wahr! Sowas von abartig, abartig gut, zu gut um …
Nein, genug getanzt, Abgang! Ohhh, der ist lang. Aber nicht nur lang, sondern auch gut strukturiert, kompakt und schlank. Wenn ich jetzt nicht sagen darf, "das ist geiler Stoff", dann war’s das mit der Weinbeschreibung. Jegliche salonfähige Wortwahl kann diesen Abgang nicht treffend beschreiben.
Der Nachklang zählt gleich mal zusammen, Geruchsorgie plus geiler Stoff, macht in Summe: "Bitte noch einen Schluck!"
Potential und Zukunft
Genau genommen befindet sich dieser Wein erst im Stadium der beginnenden Trinkreife, auch wenn er bereits mit gutem Trinkfluss aufwartet. Einige Flaschen im Keller regelrecht zu verstecken wird sich in sieben bis zehn Jahren als kluge Entscheidung erweisen.
Oro del Huevo 2015
100% Chardonnay, sechseinhalb Monate auf der Feinhefe im Betonei, nicht geschönt, keine Bewässerung.
Betonei, was hat es damit auf sich? Feine Poren im Beton sorgen für genügend Luftzirkulation, ähnlich einem Holzfass. Während Holz seine Tannine und Röstaromen an den Wein abgibt, wird der Wein vom Beton nicht beeinflusst. Aufgrund der erwähnten Luftzirkulation im Betonei entsteht natürliche Mikrooxidation. So kann der Wein zur Reifung genügend atmen. Die Eiform ermöglicht dem Wein ungehinderte Zirkulation und natürliche Klärung, wodurch die Naturbelassenheit des Weins unterstützt wird. Genug geschlaumeiert, was sagt uns der Wein selbst?
Farbe und Geruch
Mittelkräftiges Goldgelb mit schimmernden Reflexen. Farblich ist da kein Unterschied zum klassischen Ausbau erkennbar. Auch die breiten, gemächlich abfließenden Schlieren am Glasrand, lassen keine Rückschlüsse auf den Ausbau im Betonei zu.
Beim erstmaligen Anschnuppern kommt Nachdenklichkeit auf. Ein sehr delikates Geruchsbild, aber nicht sofort zuordenbar. Es heißt umdenken. Du bist nicht auf der Suche nach grünen Äpfel, irgendwelchen seifigen Aromen und auch nicht nach buttrigen Noten. Also, nochmals durchschwenken, Nase zum Glas, Augen zu und Konzentration!
Wouw, ich steh’ mitten im Weingarten und kann förmlich den Rebschnitt riechen. Leicht salzig kommt’s auch und plötzlich kommt auch eine Apfelnote, aber eher ein gelbliches Mostapferl und kein grüner "Oma Schmied Apfel". Ein Hauch von frisch eingemaischten Quitten kommt auch noch dazu und hinten nach wieder die Salznote.
Das ganze nochmals getestet. Je länger der Bursche im Glas atmen darf, umso harmonischer und kompakter wird das Geruchsbild. Zusammengefasst, kurz und bündig: Mitten im Weingarten wo gerade der Rebschnitt stattfindet, gleichzeitig Äpfel und Quitten verarbeitet werden und vom Meer eine salzige Brise einher weht, die jetzt auch noch einen dezenten herbalen Duft mitbringt. Das ist also der Duft mallorquinischen, unverfälschten Maruccia Chardonnays. Sehr verführerisch und animierend.
Geschmack, Abgang und Nachklang
Am Gaumen, das ist ziemlich schwer zu beschreiben, wird’s fruchtig-weinrebig, dezent salzig-kräutrig mit sehr dezenter Mineralik. Dieser kompakte, gut strukturierte Fruchtkörper wird von einem moderaten, perfekt passendem, Säuregerüst getragen. Auch der Naturbursche tänzelt wie seine Vorgänger elegant am Gaumen umher und hinterläßt dabei ein herrliches Gefühl von Frische und Größe.
Der Abgang ist ziemlich lang mit ausgezeichneter Gesamtstruktur. Knochentrocken aber sehr charmant zeigt dieser Wein, dass auch ein schlanker Körper kraftvoll in Erscheinung treten kann. Es fehlt ihm auch nicht an Charme und Finesse.
Der Nachklang macht Laune auf ein näheres Kennenlernen und verweist lautstark, aber nicht unangenehm, auf die Jugendlichkeit des Weins.
Potential und Zukunft
Beginnende Trinkreife verlangt nach guter Belüftung im Glas. Dekantieren wäre sogar noch empfehlenswerter. Nicht all zu kalt servieren! Der Oro del Huevo wird sich dafür mit harmonischem Trinkfluss bedanken. Sein Entwicklungs- und Lagerpotential, wird ihn innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre zu guter Trinkreife heranführen, die er wohl noch lange Zeit behalten wird.
Fazit: Alle drei Weine haben eine Gemeinsamkeit - mit Mainstream haben sie gar nichts gemeinsam. Was diese Weine auszeichnet ist ihre Hochwertigkeit. Ausgeprägte Charaktere, Terroir und Eigenständigkeit machen sie mehr oder weniger unverkennbar. Obwohl es keine alltäglichen Weine sind, muss man kein Weinzampano sein, um sich an ihnen erfreuen zu können. Ein kostbarer Beweis dafür, dass es keiner High Tech Kellerei bedarf um großartige Weine zu keltern, die bekömmlich sind und auch noch ausgezeichnet schmecken.
Verkostungsnotizen vom November 2016