Frei nach dem Motto, "zack, zack"!
In Österreich schossen sie in den Achtzigern förmlich wie die Schwammerl aus dem Boden, die China Restaurants. Diese für uns völlig neue Restaurant Kultur mit Asiaküche, angepasst an europäische Durchschnittsgaumen, erfreute sich großer Beliebtheit. Auch die asiatische Aufmerksamkeit, schien meine Landsleute zu begeistern. Man bekam das Gefühl vermittelt aufrichtig willkommen zu sein. Auch Hardcore Konservative, die es sich nicht vorstellen konnten, etwas anderes als Hausmannskost zu essen, wollten sich diese Gastfreundschaft nicht entgehen lassen und übten sich in der Kunst des Essens mit Stäbchen.
Im Zuge dieser kulinarischen Revolution lernten wir nicht nur mit Zuordnungsnummern eines kompletten Speisenangebots umzugehen, es wurde uns auch klar, dass man in einem Restaurant nicht unbedingt viel Zeit verbringen muss, um ausgiebig speisen zu können. Kaum bestellt, standen die jeweiligen Gerichte auch schon am Tisch. Die schnelle Leberkäs- oder Wurstsemmel zu Mittag verlor etwas an Bedeutung, denn jetzt konnte man in der selben Zeit sogar in einem Restaurant richtig essen und wurde auch noch freundlichst bedient.
Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, überaus freundlich und innerhalb kürzester Zeit wird serviert. Das geht zack, zack! Ob man diese Art der Servicekultur mag, ist Ansichtssache. Ich persönlich empfinde dabei eher Stress und mein Wunsch zu Mittag im China Restaurant zu essen, hält sich daher auch heute noch in Grenzen.
Abends lassen sich in manchen Asialokalen stressfreie Aufenthalte, bei denen genüsslich gespeist werden kann, etwas besser vereinbaren, da es dem Servicepersonal offensichtlich zu dieser Tageszeit leichter fällt zu akzeptieren, dass man nicht auf der Flucht ist, sondern gemütlich und mit Genuss speisen möchte. Na ja, ganz so einfach ist es dann doch nicht, die Sache mit dem genüsslichen Abendessen ohne Stress, wie es einige dieser Lokale immer wieder eindrucksvoll unter Beweis stellen.
In meiner unmittelbaren Wohnungsnähe gibt es ein Lokal mit hervorragender Küchenleistung asiatischen Ursprungs. Das Lokal selbst glänzt nicht mit Kitsch, sondern aufgrund bemerkenswerter Sauberkeit. Das gesamte Ambiente strahlt Gemütlichkeit aus. Mit dem Empfinden von Gemütlichkeit, verhält es sich ein wenig anders, denn das Personal ist omnipräsent.
Weil ich das System mit der Zuordnung von Nummern ganz gut finde, erlaube ich mir, die einzelnen Personen des Servicepersonals zu benummern und zwar in der Reihenfolge ihres Aufmarschierens. So können auch keine Genderfehler passieren.
Beim Betreten des Lokals wurden meine Partnerin und ich (zwei Genussmenschen) vom gesamten Personal freundlichst begrüßt. Nummer 1 kümmerte sich um unsere Garderobe, führte uns zum Tisch, überreichte uns die Speisekarten und verschwand mit einem Lächeln. Kurz darauf erschien Nummer 1 wieder, um die Getränkebestellung aufzunehmen. Nummer 2 servierte unsere Getränke und erkundigte sich nach unseren Essenswünschen. Wir hatten uns aber noch nicht entschieden, wir saßen ja auch erst seit ein paar Minuten bei Tisch.
Das geht gar nicht, ein Gast der nach dreißig jähriger Schulung noch immer nicht weiß, dass er im Asia Lokal nicht herumbrodeln darf. Daher erschien unmittelbar nach dem Abgang von Nummer 1, auch schon Nummer 2, um endlich unsere Speisenbestellung aufnehmen zu können.
Ich entschied mich für Suppe und Hauptgericht. Meine Partnerin beließ es bei einem Hauptgericht, so als ob sie eine Vorahnung gehabt hätte. Nummer 2 bestätigte unsere Bestellung, bedankte sich, lächelte freundlich und verschwand.
Weil ich einem kleinen menschlichen Bedürfnis nachkommen musste, begab ich mich Richtung Toilette, vorbei an Nummer 1 und 2, die mir freundlich zulächelten. Mein "Notdurftsabgang" muss wohl eine Art Servieraufforderung gewesen sein, denn als ich wieder beim Tisch war, wartete die Suppe bereits auf mich. Ich begann also die Suppe zu löffeln und da sie noch warm war, konnte ich sie auch genießen. Oder besser gesagt wollte, denn keine zwei Minuten später stand Nummer 2 neben mir, mit den Worten "knusplige Ente mit Leis".
Tja, ein kleines Problem, denn es war meine Hauptspeise. Weil ich - dieser nicht lernwillige Gast - noch immer mit der Suppe beschäftig war, kam nicht nur ein Lächeln rüber, sondern auch die Frage, ob die Ente etwas später serviert werden soll. Ja bitte!!! Mit leicht erhöhtem Blutdruck und etwas höherem Unmutsgrad beschleunigte ich den Löffelvorgang. Zack, zack, nicht dass ich auch noch einen Minuspunkt krieg.
Drei Wimpernschläge später erscheint Nummer 1 mit meiner Ente. Mit einem freundlichen Lächeln wird der Teller abgestellt. Jetzt habe ich es endlich begriffen, ich muss meine Essgeschwindigkeit an die Serviergeschwindigkeit anpassen. Ich schnappe meine Suppenschüssel und putze den Rest auf Ex weg. Nummer 1 lächelt verzückt und geht Richtung Küche.
Nummer 2 erscheint und serviert das Gericht für meine Partnerin, die mir bis zu diesem Zeitpunkt ganz relaxt zusehen konnte, wie ich meine Service-Gast Koordinationsprüfung versemmle.
Wer meint, das sei es jetzt gewesen, der irrt gewaltig! Nummer 1 und 2 blieben beharrlich präsent und erschienen abwechselnd im Minutentakt, um zu sehen ob ich dazu gelernt habe und schneller esse. Natürlich gab es bei jedem Kontrollbesuch ein freundliches Lächeln für uns. Dafür wurden wir nicht gefragt ob wir eventuell noch etwas trinken möchten.
Meine Partnerin verputze ihrer Portion anscheinend innerhalb der dafür vorgegebenen Zeit, denn ihr leerer Teller wurde ihr mit einem breiten Lächeln entrissen, während ich noch mit meiner Ente beschäftigt war. Aber ich lag nur ganz knapp dahinter, was mir ein anerkennendes Lächeln von Nummer 1 und auch von 2 einbrachte.
Wow geschafft, knapp aber doch! Ein Rosenschnaps zur Beruhigung, das wär’s jetzt, dachte ich. Aber wo sind plötzlich Nummer 1 und 2 hingekommen? Weg! Na klar, irgend wann reicht es auch dem geduldigsten Service Personal mit einem derart störrischen Gast, wie ich es bin.
Danke, mir reicht's auch!