Kulinarische Urlaubserinnerungen eines Genuss-Schreiberlings
Vorsätze sind da, um doch nicht eingehalten zu werden
Ich hab’ es mir zwar fest vorgenommen, während meines Urlaubs nichts zu tun, was auch nur im Geringsten mit meiner Arbeit in Verbindung gebracht werden könnte. Aber irgendwie ist das nicht umsetzbar, denn da dürfte ich weder einkaufen, noch kochen oder in einem Restaurant essen. Man kann es drehen und wenden wie man will, es findet sich immer Berichtenswertes. So wird aus meinem Urlaub letzten Endes doch immer ein Mix aus Urlaub und Arbeit, was mir aber mindestens genau so viel Freude bereitet, wie Urlaub im eigentlichen Sinn.
Vorurteile und Erinnerungen aus der Vergangenheit
Wir Österreicher tendieren leider dazu, unseren deutschen Nachbarn zu unterstellen, sie würden einen ungewöhnlichen Kochstil pflegen, alles in "Tunke" ertränken - sogar Wiener Schnitzel und andere knusprig panierte Gerichte - und dann auch noch furchtbaren Kaffee brühen, welcher der Kategorie Abwaschwasser (auch bekannt als "G’schloda") zuzuordnen wäre.
Na ja, das sind natürlich sehr engstirnige Aussagen, denen Erfahrungen zu Grunde liegen, die vor zwanzig Jahren gemacht wurden, ohne entsprechende Aktualisierungen. Liebe LeserInnen aus dem deutschen Nachbarland, nicht böse sein, aber auch ich erinnere mich in meinen kulinarischen Albträumen an jene Zeiten, wo mir ungefragt ein ertränktes Schnitzel mit einer Riesenportion Spätzle oder Semmelknödel vorgesetzt wurde.
Ich wache allerdings immer mit einem Lächeln auf, weil ich weiß, dass sich in der Zwischenzeit einiges zum Positiven gewendet hat und sich die Futtersuche gar nicht mehr so schwierig gestaltet. Knuspriges bleibt knusprig, weil Saucen meistens Á part serviert werden; Teller nicht mehr mischmaschmäßig überladen werden und ServicemitarbeiterInnen besser Bescheid wissen, was ein Ristretto Doppio ist, als mancher Kaffeehaus Kellner in Österreich.
Die kulinarische Überraschung am Schnaitheimer Moldenberg
Die Sportgaststätte am Moldenberg wird von Touristen wahrscheinlich nur schwer zu finden sein, da sie sich weit ab vom Zentrum befindet. Wegbeschreibungen Einheimischer oder Naviführung können dieses Problem aber beseitigen.
Wie die Bezeichnung "Sportgaststätte" vermuten lässt, handelt es sich um ein einfaches Lokal, das weder schnuckelig ist, noch Gemütlichkeit ausstrahlt, aber auf seine ganz besondere Art Charme versprüht. Letzteres steht in engem Zusammenhang mit dem liebenswerten Pächter- und Serviceteam. Es wird klassisch-schwäbisch aufgekocht und das mit ziemlich feiner Klinge. Die Grundprodukte stammen aus der Region und werden mit offensichtlicher Liebe zum Kochhandwerk verarbeitet. Zusätzlich zur schwäbischen Küche, werden diverse Salatvariationen, Steak Klassiker und eine beachtliche Auswahl an Burgern geboten.
An der Qualität der Speisen gibt es nichts zu bemängeln und auch die Serviceleistung verdient großes Lob. Egal ob Normalbetrieb herrscht, oder die Hütte samt Garten knackevoll ist, Verstärkung gibt’s anscheinend keine (schwäbische Sparsamkeit?), ein Mädl im Garten, eines im Lokal. Trotz dieser offensichtlichen Unterbesetzung halten sich nicht nur die Wartezeiten in erträglichen Grenzen, das Personal bleibt auch noch mit den lästigsten Gästen geduldig und ungekünstelt freundlich.
Wer wenig, bis gar keinen, Wert auf Ambiente legt und gute schwäbische Küche, mit gutem Preis- Leistungsverhältnis genießen möchte, wird hier bestens versorgt. Mein persönlicher Tip, wenn’s die Wetterverhältnisse zulassen, im Garten Platz nehmen, dann passt auch die Sache mit dem Ambiente!
Kontinuierlich gute Qualität
Das Restaurant Wacholder in Schnaitheim, ist für mich eine der ersten Adressen dieser Region, wenn’s um sehr gute Küchenleistung mit Kreativität und Raffinesse geht. In den letzten Jahren entpuppte sich das Restaurant Wacholder immer wieder zum kulinarischen Highlight. Ein aktuelles Update zu posten, ist mir leider nicht möglich, da sich während meines Aufenthalts kein gemeinsamer Termin mit Familie und Freunden vereinbaren ließ. Schuld daran war das Halbfinale der Fußball-EM, welches aus deutscher Sicht eh in die Hose ging, aber anscheinend wichtiger war, als wahre Gaumenfreuden zu genießen.
Wer’s gekonnt kreativ und klassisch will, mit witzig gemütlichem Ambiente, sollte sich im Wacholder verwöhnen lassen. Ein Detail am Rande; die kleine aber feine Weinauswahl komplettiert das Gesamterlebnis.
Ein Wirtshaus mit Gourmettempel Niveau
Unser gemeinsamer Ersatztermin führte nach Nattheim, ins Wirtshaus zum Ochsen. Dieses Lokal wurde von uns einheitlich zum kulinarischen Highlight der Woche erkoren. Die schmucke Brauereigaststätte wird von der Familie Kälber äußerst professionell und mit viel Liebe zum Detail betrieben. Bereits der gelungene Aufbau der Speisekarte zeigt, dass die Kälbers mehr wollen, als ihre Gäste grandios zu bekochen. Die Erklärungen zu den jeweiligen Gerichten sind nicht nur humorvoll gestaltet, sie begründen auch, weshalb Kreativität in der klassischen Küche hier zum Standard gehört. Die Familie Kälber leistet quasi Aufklärungsarbeit, indem sie auch die stursten Gäste liebevoll davon überzeugt, dass kein Gericht in Sauce ersäuft werden muss, manche Fleischgericht einfach zartrosa gebraten sein müssen und Altbekanntes, richtig aufgepeppt oder entsprechend reduziert, um ein Vielfaches besser schmeckt.
Was hier auf die Teller kommt, entspricht zwar dem, was man sich unter schwäbischer Küche vorstellt, aber die raffinierte Zubereitung jedes einzelnen Gerichts, macht daraus einen kulinarischen Höhenflug.
Unser jüngster Begleiter, wählte Fischstäbchen. Dieses Gericht versetzte mich in Erstaunen, denn es wurde nicht die erwartete TK-Ware mit Einheitsgröße zubereitet. Frische Filetstücke wurden frisch paniert und auch die Pommes waren von bester Qualität. Keine Convenience für Kindergerichte, das verdient Extralob!
Mein 300 Gramm Bierkutschersteak überzeugte mich in allen Belangen. Zartrosa, dezent durchzogen, kernig im Biss und trotzdem zerging es auf der Zunge wie Butter. Der erstklassige Geschmack bestätigte die angepriesene Qualität des Grundprodukts. Die Röstkartoffel perfekt gebraten, genau richtig in ihrer Konsistenz, weder zu weich, noch zu hart. Die Sauce, ehrlich und echt, ohne künstliche Aufbesserung, traumhaft im Geschmack und in angepasster Menge serviert. Für mich war es eigentlich eine Riesenportion, aber es schmeckte zu gut, um etwas übrig zu lassen.
Auch meine BegleiterInnen waren sichtlich begeistert. Ob Saiblingfilet, Rumpsteak oder Knusperschnitzel, alles perfekt auf den Punkt gebracht, kreativ zubereitet und von vorzüglichem Geschmack.
Selbstverständlich werden, sofern möglich, auch Extrawünsche erfüllt. Schnitzel mit Spätzle und Sauce werden daher anstandslos serviert. Sein Knusperschnitzel muss sich der Gast allerdings selbst ertränken, denn Saucen zu panierten Gerichten werden hier ausschließlich Á part serviert.
Das Weinangebot ist überschaubar und passt perfekt zu dem, was vom Küchenteam geschaffen wird. Aber genau genommen sollte man sich hier dem Biergenuss hingeben, weil die Biere der Nattheimer Privatbrauerei vorzüglich munden.
Wer die Urigkeit eines Wirtshauses, bodenständig gehobene Küchenkunst mit Kreativität und familiäre Atmosphäre schätzt, trifft mit der Entscheidung hier zu speisen die richtige Wahl, zumal auch das Preis- Leistungsverhältnis stimmt!
Zum Abschluss verbrachten wir noch ein paar Tage in Witzigmänn (Sigmarszell/Lindau) bei Familie und Freunden, wo wir uns aus kulinarischer Sicht in erster Linie als Selbstversorger betätigten und jeder seine Lieblingsgerichte präsentierte. Da Lieblingsgerichte aber nicht zwangsläufig den persönlichen Kochkünsten entspringen müssen, ließen wir uns auch fremdbekochen.
Bodenständige Klassiker mit hohem Genussfaktor
In Oberreitnau, unweit von Lindau, befindet sich eine Art von gastronomischem Juwel, das Restaurant Adler. Das Speisenangebot entspricht nicht nur dem, was man unter klassischer Schwabenküche versteht, hier befinden sich alle Spätzle-Saucen Freaks quasi im Paradies.
Das wäre dann ja wohl nicht meine erste Wahl, denn da wären wir genau bei dieser Art von Zubereitung, die meinen Essensvorstellungen überhaupt nicht entspricht.
ABER, sag niemals nie und rede nicht, bevor du es nicht probiert hast! Gesagt, getan - und es war gut, ohne Vorurteil zu probieren! Hier wird zwar Klassisches gekocht und serviert, aber nicht in Mischmasch Manier, sondern appetitlich angerichtet, mit passender Saucen- und Beilagenmenge (wer mehr braucht kriegt’s extra serviert).
Na gut, die Augen hätten schon mal ihren Schmaus, aber wie sieht’s mit Gaumenfreuden und Genuss aus? Ausgezeichnet, ein Fest für alle Sinne. Alles auf den Punkt gebracht, nichts zerkocht oder verbraten, feinster Geschmack, beste Konsistenz mit herzhaftem Biss, nicht zu knackig, nicht zu weich. Kurz gesagt, Hausmannskost auf sehr hohem Niveau!
Die angebotenen Weine versetzten mich persönlich weniger in Begeisterung, was ich vom Andechser Klosterbräu Bier nicht behaupten könnte. Der Doppelbock entpuppte sich als perfekter Schweinebratenbegleiter.
Unverfälschte schwäbische Klassiker, auf hohem Niveau zubereitet, im gemütlichen Ambiente oder im lauschigen Garten genossen. Gaumen was willst du mehr? Nichts, denn das passt! Selbiges gilt auch für’s Preis- Leistungsverhältnis
Wurstgenuss vom Allerfeinsten
Eigentlich wollte ich mir das Staatsweingut-Meersburg, oder besser gesagt, einige Weingärten ansehen. Dieses Vorhaben war aber im wahrsten Sinn des Wortes ins Wasser gefallen, wofür die ergiebigen Regenfälle der letzten Tage verantwortlich waren. So wurde aus einer gatschigen Weingarten Tour ein etwas feuchter Stadtrundgang, der nicht weniger interessant ausfiel, als eine Gutsbesichtigung.
Die Dichte der Meersburger Gastronomiebetriebe ist beachtlich. Es pickt förmlich eine Hütte auf der anderen und auch die Anzahl an Feinkostläden und Bäckereien übertrifft alle noch so kühnen Erwartungen. Trotz der eher bescheidenen Wettersituation konnte man so etwas wie toskanisches Bodensee Flair wahrnehmen. Unzählige, einladende Aromen umgarnten die Nase und ließen das Hungergefühl stetig wachsen.
Wir wollten allerdings nicht großartig speisen, also kein Restaurantbesuch. Außerdem verspürte ich den mir unverständlichen Wunsch, eine Currywurst zu verdrücken. Unverständlich deshalb, weil ich dieses Zeug, aufgrund negativer Erfahrungen, eher ablehne, denn bevorzuge.
Zielstrebig steuerte ich Die Wurstmeisterei an, wo alles sehr appetitlich präsentiert wurde. Von dort strömten auch die feinsten Aromen Richtung unserer Nasen. Ohne lange nachzudenken, bestellten wir beide je eine Currywurst und weil eh schon alles "wurscht" war, bestellte ich für mich ein Bier, welches die Bezeichnung Löschzwerg trug. Nein, nicht weil mir dieses Bier bekannt war, es war irgend eine innere Stimme - so wie bei der Currywurst - die mich diese Wahl treffen ließ.
Auch der Löschzwerg bereitete große Freude, den geschmacklich gesehen, ist der alles andere als ein Zwerg gewesen.
Kurz zusammengefasst, ein Imbiss der mir unvergesslich in Erinnerung bleiben wird und für meinen nächsten Aufenthalt in Meersburg weiß ich bereits jetzt, wo und was ich auf jeden Fall essen werde …
Restaurantbesuche zwischen 04. und 12. Juli 2016