Ein G’schichtl über unverkennbare Herkunft
Bitte wer ist denn dieser Herr Gscheiterl?
Na gut, damit fängt’s schon mal an, sein richtiger Name ist gar nicht Gscheiterl. Es handelt sich dabei quasi um ein Pseudonym. Herr Gscheiterl ist auch kein Unikat und auch keine bestimmte Person, dazu gibt es nämlich zu viele von ihnen.
Was ist so besonders an einem Gscheiterl?
In jedem Fall sind diese Gscheiterls sehr gebildet und belesen. Aber bitte nicht, dass jetzt jemand glaubt, solche Menschen wären mit Halbwissen aus Rundfunk, Fernsehen und fragwürdigen Magazinen vollgestopft. Nein, nein, die meisten von ihnen sind sehr gut ausgebildet, verfügen über enormes Fachwissen und stellen es auch immer wieder unter Beweis. Genau genommen sind es auch sehr liebenswerte Menschen, die mit ihrem Wissen nicht prahlen, sondern es einfach nur gerne weitergeben, ungefragt und das auch noch so lang, bis sie einem gehörig auf die Nerven gehen.
Man trifft sie überall an, es gibt sie in jeder Branche. Die Welt der Weine stellt dabei keine Ausnahme dar.
Ohne Herrn Gscheiterl geht’s einfach nicht!
Ganz ehrlich, ich suche Herrn Gscheiterls Gesellschaft immer wieder, weil von ihm kann ich echt was lernen und sei es nur die Tatsache, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen ist, wenn er von etwas felsenfest überzeugt ist, was sich dann doch als ein wenig unrichtig herausstellt und er auch noch von einem Dahergelaufenen darauf hingewiesen wird.
Ich kann ihn aber voll und ganz verstehen, denn immerhin hat er eine weinakademische Ausbildung und obendrein auch noch große Erfahrung am Fachsektor des Gratissaufens und dann kommt doch glatt einer wie ich und will sich auch noch wichtig machen.
Was ist daran typisch österreichisch?
Einige von euch werden sich jetzt denken, was daran typisch österreichisch sein sollte. Ihr habt ja recht, solche Leute sind überall anzutreffen, aber mein Herr Gscheiterl ist unschlagbar wissend und ein wahrer Kenner, wenn es um die Rebsorte Grüner Veltliner geht - und das meine Lieben, ist ein typischer Österreicher! Typischer geht’s gar nicht, oder?
Der Grüne Veltliner, aber so was von typisch österreichisch!
Herr Gscheiterl startete sofort durch: "Vorallem der typische Weinviertler, der DAC. Kein Grüner ist so unverwechselbar wie dieser. Pfeffrig, fruchtig, frisch, leicht, resch, vollmundig, voluminös - diese Vielfalt gibt’s nur im Weinviertel und überhaupt, und so weiter "….
Ich nickte und bestätigte seine leidenschaftliche Aussage, "vollkommen richtig", was mireinen anerkennenden Schulterklopfer einbrachte. Jetzt mochte er mich anscheinend, der Herr Gscheiterl. Als ich dann auch noch eine gut verpackte Flasche aus meiner Tasche holte und ihn einlud oberaffengeilen Stoff zu verkosten, war er komplett aus dem Häuschen.
Oberaffengeiler Stoff, was und woher?
Gscheiterls Frage, weshalb ich den Wein gar so gut verhüllt hätte, beantwortete er sich sofort selbst, "ah, ich soll dir sagen, was es ist und woher er ist!"
Klare Sache das ist ein Weinviertler!
Gscheiterls Zinken verschwand zu guten zwei Drittel im Glas. Jetzt schien er sich auf’s Geruchsbild zu konzentrieren, unüberhörbar. Ich wollte schon anmerken, dass es sich um keine Line, sondern um Wein handle. Das habe ich mir dann aber doch verkniffen. Nach drei solcher "Aufzüge" folgte der Geschmackstest. Derartige Schlürfgeräusche hatte ich zuvor auch noch nie gehört (manche Klospülung arbeitet leiser). Als der Kostschluck endlich am Ende des Abgangs angelangt war, kam keine verbale Weinbeschreibung, eine Gebiets- oder Ortsangabe, sondern die nonverbale Aufforderung nachzuschenken. Na hallo, nicht schlecht, da war ein knappes Achterl im Glas. Na ja, egal, wenn’s der Meister braucht …
Anmerkung: Ich erlaube mir, Herrn Gscheiterls Statements ab sofort 1 : 1 wiederzugeben, alles andere wäre zu wenig aussagekräftig.
Kurz nachdem das zweite Kostglas nur noch mit Luft gefüllt war strahlte Herr Gscheiterl über’s ganze Gesicht und meinte, "des is a Weinviertler GV. So an erkenn i blind, mit zwa Tampos in die Nosnlecha!" Ich hatte nicht die geringste Chance etwas zu sagen, Gscheiterl hakte sofort nach. Er legte seinen rechten Zeigefinger auf seinen Hals und meinte, "do eini loss a mi stechn, wann des ka Weinviertler is! Pfeffal, a bissl a Opfe und a wengl a Staobst und a dezete Kreitanotn hoda a. Knackig oba ned saua. Ollas do, wos nur a Weinviertler haum kau!"
Echt nicht schlecht, Herr Gscheiterl …
Anerkennend streckte ich meinen Daumen hoch, "vollkommen richtig, ein sehr typischer Grüner Veltliner, super strukturiert mit ausgezeichnetem Trinkfluss."
Keine Chance noch etwas zu sagen, Herr Gscheiterl fuhr fort, "i bin ma ziemlich sicha, der is vom Dings, na wia haßt a denn, da Dings aus Herrnbaumgarten, oda is der aus Poysdorf? Na dass ma des jetzt ned eifoid, des magalt mi oba a bissl! Na des gibt’s jo ned! Aaaa, eh wuascht!"
Weinakademische Gscheiterl-Verwirrung vom Feinsten
Siegessicher, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, stellte sich Herr Gscheiterl vor mich, "und?"
Nix und, Herr Gscheiterl! Es ist ein Grüner Veltliner, allerdings weder vom Dings aus Herrnbaumgarten, noch vom Dings aus Poysdorf und er stammt auch nicht aus dem Weinviertel. Gscheiterl würgte mich vebal sofort wieder ab und kontert, "Bledsinn des gibt’s ned".
Doch, das gibt’s! Dein vermeintlicher Weinviertler is ein Pfälzer! Gscheiterl etwas verblüfft, "ahhhh, vom Pfalzer aus Kirchberg, oba des is do am Wagram. Na guad, de zwa Gebiete san se sehr ähnlich."
Zerknirscht und offensichtlich ein wenig wütend sah mich Gscheiterl an und meinte, "nimm’d Folie vo da Floschn owa, des schau i ma jetztn au! Wüsst mi vaoaschn oda wos?"
Nein, ich verarsch dich nicht, lieber Gscheiterl! Es ist KEIN Weinviertler und auch KEIN Wagramer! Sorry Gscheiterl, es ist EIN DEUTSCHER Grüner Veltliner, von einem deutschen Winzer!
Herr Gscheiterl konnte die Welt nicht mehr verstehen: "A Piefke und a so a leiwander Grüna, des gibt’s auf kan Schiff! Wo aus Deitschlaund und wia haßt der Hawara?"
Der Hawara heißt Christoph Hammel, sein Weingut ist in Kirchheim an der Weinstraße in der Pfalz, wo auch dieser GV wächst und gekeltert wird, Grüner Veltliner Halbstück 2015.
Wenn’s dich ein wenig tröstet, der Hammel hat sein Handwerk an der Klosterneuburger Weinbauschule gelernt und nicht in Geisenheim.
Na guad, der hod in Klobuag studiert, do wiad a des glernt haum." Ungläubig drehte und wendete er die bereits geleerte Flasche (1/16 war mir gegönnt) und meinte, "des gibts jo echt ned, a Piefke mocht an GV und der schmeckt wiea a unsriga. Der is echt guad, host no an mid?"
Nein leider nicht, ich hatte nur diese Flasche! Um Gscheiterls Verwirrung zu komplettieren zeigte ich ihm noch das Datenblatt, welches ihm eindrucksvoll aufzeigte, dass er auch mit seinen Säure- und Restzucker- Einschätzungen etwas daneben lag!
Noch was lieber Gscheiterl, in Hammels Brust schlägt auch sowas wie ein Wiener Herz inklusive dazugehörigem Mundwerk und das würde jetzt sagn: "Oida geh a bissal scheißn!"
Mit den Worten, "na geh, des is oba jetzt ned woa, du Hund host mi schee glegt", verabschiedete sich der Herr Gscheiterl. Kopfschüttelnd und leise vor sich hinfluchend begab er sich Richtung Ausgang.
Fazit: Der Grüne Veltliner ist zwar DIE österreichische Weißweinsorte, was aber keines Falls bedeutet, dass er nur innerhalb unserer Grenzen seine unverwechselbare Charakteristik erhält. Wenn Bodenbeschaffenheit, Klima und das G’spür des Winzers passen, dann funktioniert’s überall, in jedem Fall aber in der Pfalz bei Christoph Hammel!
Übrigens, auch ich hätte nicht gedacht einen Grünen Veltliner aus der Pfalz im Glas zu haben, hätte ich es vorab nicht bereits gewusst ...